Wann sind Verdachtsäußerungen im Wettbewerbsrecht zulässig?

Dr. Matthias Losert, LL.M.

Rechtsanwalt

Strausberger Platz 6
10243 Berlin

Fernruf: 030-250 121 25
Mobil: 0179-537 98 71
post@matthias-losert.de

Im folgenden habe ich als Rechtsanwalt für Wettbewerbsrecht einen Fall aus meiner Beratungspraxis dargestellt. Die hier angesprochenen Fragen im Wettbewerbsrecht sind von allgemeinen Interesse für Existenzgründer und Unternehmen.

I. Fiktiver Fall
Unser Mandant ist ein Unternehmen, das Computerprogramme für Kunden entwickelt und einrichtet. Aus diesem Unternehmen heraus hat sich ein Spinn-off gebildet, welches für denselben Kunden wie unser Mandant IT-Dienstleistungen erbringt. Unser Mandant äußerte gegenüber diesem Kunden, dass er gegen eine mögliche Verletzung seiner Urheberrechte rechtliche Schritte einleiten werde. Möglicherweise ergibt sich aus der Art der Computerprogramme, dass sie nur von dem Spinn-off stammen können. Es stellt sich die Frage, inwiefern diese Äußerung zulässig ist.

II. Rechtliche Bewertung
Diese Äußerung könnte eine unlautere Anschwärzung nach §§ 3, 4 Nr. 8 UWG darstellen.

Fezer/Nordemann UWG § 4-8, Rn 24 führt dazu aus:
„Die Gerichte haben in der Abnehmerverwarnung allerdings stets ein Urteil des Verwarnenden über rechtliche Gegebenheiten, also eine Meinungsäußerung gesehen und sie deshalb nur dann als Anschwärzung des betroffenen Mitbewerbers iSv § 14 UWG bewerten wollen, wenn sie etwa unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalten würde.

Die neuere Rechtsprechung betont sogar das gute Recht jedenfalls des Inhabers von geprüften Schutzrechten (Patenten, Gebrauchsmutstern, Sorten), Dritte – auch zu deren eigenem Schutz- vor den Folgen der Verletzung solcher Rechte zu warnen; der Hinweis müsse allerdings den Umständen nach angemessen und zur Abwehr erforderlich sein.“

Die Tatsachenbehauptung, ein bestimmtes Werk sei ein Plagiat, ist als Tatsachenbehauptung anzusehen (BGH GRUR 1992, 527).

Diese beiden Fundstellen entsprechen der Regelung im Strafrecht für den Tatbestand der Verleumdung. Schon das Reichsgericht hat entschieden, dass die Weitergabe eines Gerüchts als Gerücht eine strafbare Verleumdung darstellt, wenn der Mitteilende die mitgeteilte Tatsache nicht beweisen kann (vgl. auch BGHSt18, 182). Eine Mitteilung des Plagiatsverdachts, der notwendig auf Tatsachen gründet, kann auch im UWG nicht anders bewertet werden.

Im vorliegenden Fall hat der Mandant dem Kunden jedoch nur (mündlich) mitgeteilt, welche Konsequenzen dem Kunden im Falle einer Urheberrechtsverletzung drohen. Er hat hier keine Tatsachenbehauptung zu Lasten eines Anderen aufgestellt, sondern nur eine abstrakte Warnung ausgesprochen. Auch wenn das Urheberrecht kein eingetragenes Schutzrecht darstellt, wird so eine Verwarnung entsprechend Fezer/Nordemann UWG § 4-8, Rn 24 als zulässig anzusehen sein. Denn die Interessenlage unterscheidet sich nicht wesentlich von der bei eingetragenen Schutzrechten (BGH GRUR 1995, 424, II. 2a). Diese Fundstelle besagt folgendes:

a) Eine Verwarnung, mit welcher der Rechtsinhaber der Verletzung seines gewerblichen Schutzrechts entgegenwirkt, ist als solche grundsätzlich allerdings nicht zu beanstanden. Dem Inhaber eines Schutzrechts – wie im Streitfall eines geprüften Patents – kann es nämlich nicht verwehrt sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die der Abwehr von (drohenden) Eingriffen in sein Recht dienen. Dazu gehört der Hinweis, gewillt zu sein, zur Durchsetzung des Rechts gerichtlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Es ist das gute Recht des Patentinhabers, Dritte – auch in bezug auf deren eigene Interessen – vor den Folgen der Verletzung eines Patents zu warnen (RGZ 94, 271, 276, BGHZ 62, 29, 32 f. – Maschenfester Strumpf ; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 1 UWG Rdn. 237 ; Benkard/Bruchhausen, PatG, GebrMG, 9. Aufl., vor § 9 – 14 Rdn. 13). Das gilt auch hinsichtlich der Verwarnung von Abnehmern schutzrechtsverletzender Gegenstände, die sich durch deren gewerbliche Nutzung selbst einer Patentverletzung schuldig machen können ( 9 PatG). Die wettbewerbsrechtlichen Grundsätze, welche es verbieten können, die Produkte eines Mitbewerbers mit den eigenen zu vergleichen, stehen sonach der Zulässigkeit einer Schutzrechtsverwarnung auch von gewerblichen Abnehmern nicht entgegen, wenn Patentverletzungen zu besorgen sind und wenn der Hinweis den Umständen nicht angemessen und zur Abwehr erforderlich ist (vgl. BGH GRUR 1968, 382, 385 – Favorit II ; Baumbach/Hefermehl, a.a.O. ; Benkard/Bruchhausen, a.a.O.).

Der BGH urteilte in diesem Fall zwar über eine Patentverletzung. Diese Passage des Urteils bezieht sich aber nicht nur auf Patente, sondern auf Schutzrechte allgemein. Auch wenn man dass Urteil so liest, dass aufgrund des ersten zitierten Satzes nur gewerbliche Schutzrechte beurteilt werden, darf nicht vergessen werden, dass darunter auch Marken fallen, an denen ein Schutzrecht auch ohne Eintragung entstehen kann. Daraus kann mit guten Gründen gefolgert werden, dass auch eine Verwarnung bei der Verletzung nichteingetragene Schutzrechte als zulässig anzusehen ist.

Für diese Sichtweise spricht sich mE, wenn auch nur zwischen den Zeilen, Fezer/Nordemann UWG § 4-8, Rn 24 aus.

Diese Warnung war auch angemessen und den Umständen nach erforderlich. Denn der Mandant handelte bei dieser Äußerung in Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB. Dieser Rechtfertigungsgrund findet auch auf die Äußerungsdelikte des UWG entsprechende Anwendung, da das UWG bei Äußerungen mit dem Strafrecht sinngleiche Regelungen aufstellt. Kernstück von § 193 StGB ist eine Interessenabwägung zwischen dem Ehrschutz und dem Recht des Mandanten, sich vor Urheberrechtsverletzungen zu schützen. Auch wenn aus seiner Warnung möglicherweise der Rückschluss auf das Spinn-off zu ziehen ist, ist diese Warnung nach § 193 StGB gerechtfertigt. Denn der Mandant hat ein gewichtiges Interesse daran, dass seine Urheberrechte nicht verletzt werden.

Das Interesse des Spinn-off, mit solch einer Warnung nur entfernt und mittelbar mit einer Urheberrechtsverletzung in Verbindung gebracht zu werden, tritt dahinter zurück. Das gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass der Mandant erstens nicht eine Behauptung aufgestellt, sondern nur einen Verdacht geäußert hat, der zweitens nur mittelbar auf das Spinn-off bezogen werden kann. Der Mandant hat zur Wahrung seiner Rechte also das mildeste Mittel gewählt, so diese Verdachtsäußerung als zulässig angesehen werden kann.