Skript zum Betrug

Dr. Matthias Losert, LL.M.

Rechtsanwalt

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Zwischen den objektiven Merkmalen bei Betrug muss ein durchlaufender ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Vermögensverfügung muss Bindeglied zwischen Irrtum, Vermögensbeschädigung und erstrebtem Vermögensvorteil sein.

 

Aufbaumuster:

Täuschung (Einwirkung auf Vorstellungsbild eines anderen)

Erregung oder Unterhaltung eines Irrtums als Folge der Täuschungshandlung

-Vornahme einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung

-Eintritt Vermögensschaden oder konkreter Vermögensgefährdung

 

Subjektiver TB:

-Tatbestandsvorsatz (dolus eventualis)

Absicht, sich oder Dritten objektiv rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen

 

Tatsachen sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweise zugänglich sind. Egal, ob äußere Tatsachen (Beschaffenheit einer Ware, Zahlungsfähigkeit) oder innere (Vorhandensein einer Überzeugung, Kenntnisse oder Absichten, Zahlungsunwilligkeit).

 

Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen sind reine Meinungsäußerungen und Werturteile. Maßgebend, ob die Äußerung ihrem objektiven Sinngehalt nach einen greifbaren, dem Beweise zugänglichen Tatsachenkern enthält.

 

Tatsachenbehauptung Meinung + Werturteil
-Produkt ist konkurrenzlos-Aktien werden bald an der Börse gehandelt, stammen von finanzstarkem Unternehmen, werden in Fachkreisen als gut beurteilt Waren verkaufen sich von selbst, Prognose;-allgemeine Redewendungen, übertreibenden Anpreisungen, marktschreierische Reklame (bestes Persil der Welt) keinen Tatsachenkern, Charakter einer ernsthaft aufgestellten Behauptung fehlt

 

Vorspiegeln einer falschen Tatsache: Einen in Wirklichkeit nicht vorliegenden Umstand tatsächlicher Art einem anderen gegenüber als vorhanden hinstellen.

 

Kann auch konkludent geschehen, Verhalten des Täter muss ein Erklärungswert zukommen. Maßgebend ist wie Verkehrsauffassung das Verhalten versteht und bei objektiver Beurteilung verstehen darf.

 

Wer im Lokal Bier bestellt, bringt konkludent zum Ausdruck, dass er zahlungsfähig und –willig ist.

 

Falsch ist Tatsachenbehauptung, die nicht mit objektiver Sachlage übereinstimmt. Entstellt wird Tatsache, wenn ihr Gesamtbild zwecks Irreführung verändert oder durch Hinzufügen oder Weglassen wesentlicher Einzelheiten verfälscht wird.

 

Täuschung auch durch Unterlassen möglich. Unterlassende muss imstande sein, Entstehung oder Fortdauer des Irrtums zu verhindern. Und als Garant dazu rechtlich verpflichtet sein. § 13! Garantenpflichten können aus Gesetz (§ 138 ZPO Wahrheitspflicht im Prozess), Ingerenz, besonderem Vertrauensverhältnis, in engen Ausnahmen auch aus Treu & Glauben ergeben.

 

Garant ist, wer zur Abwendung der Verletzung von der Rechtsordnung auf Posten gestellt ist, besondere Einstandspflicht hat. Das Orientierungs- und Aufklärungsinteresse kann nach sozialer Übereinkunft und Gepflogenheiten des Geschäftverkehrs auch beim irrenden Opfer liegen. Allerdings nicht jede Vertragsbeziehung oder aus § 242 generelle Offenbarungspflicht ableiten zu wollen, „da das gegenseitige Verträge so an sich haben“.  Offenbarungspflichten kommen in Betracht, wenn Vertragsanbahnung erkennbar mit fachkundiger Beratung verbunden ist. Rechtspflicht zur Aufklärung nur bei erkennbar wesentlichen Umständen, zB Unfallfahrzeugkauf.

 

Irrtum ist jede unrichtige Vorstellung über Tatsachen. Unreflektiertes sachgedankliches Mitbewusstsein (alles gehe in Ordnung) genügt. Getäuschter muß die behauptete Tatsache für wahr halten oder von Möglichkeit des Wahrseins („zweifeln“) ausgehen. Denn auch der verfügt, der trotz seines Zweifels aufgrund eines Fürmöglichhaltens verfügt, wer zweifelt, irrt. Es kommt nicht darauf an, wovon das Opfer hätte ausgehen müssen, sondern wovon es ausgegangen ist.

 

Unterhalten wird ein Irrtum dadurch, dass Täter eine bereits vorhandene Fehlvorstellung bestärkt oder deren Aufklärung verhindert. Bloßes Ausnutzen ohne Aufklärungspflicht ist NICHT tatbestandsmäßig.

 

Vermögensverfügung grenzt Betrug zu Diebstahl ab, und sichert die Eigenart des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt. Vermögensverfügung ist nicht zivilrechtlich, sondern im tatsächlichen Sinne zu verstehen. Umfasst jedes tatsächliche Handeln, Dulden, Unterlassen, das zu einer Vermögensminderung führt. ZB rechtsgeschäftliche Dispositionen (Bestellung von Waren, Darlehensgewährung) oder staatliche Hoheitsakte (Inhaftierung eines Obdachlosen, Abweisung einer Klage im Zivprozess).

 

An Vermögensverfügung fehlt es, wenn die Täuschung nur die Möglichkeit zur nachfolgenden Wegnahme von Sachen eröffnen soll > Trickdiebstahl.

 

Ob Getäuschter bewusst oder unbewusst verfügt ist außerhalb des Sachbetrugs egal. (Schalterbeamter gibt zu wenig Wechselgeld, eilende Reisende unterlassen es, Restforderung geltend zu machen). Auch Vermögensmindernd, da ohne sofortige Geltendmachung ist Anspruch nicht mehr zu realisieren und damit wirtschaftlich wertlos.

 

Täuschungshandlung muss nicht alleinige Ursache der Verfügung sein. Heiratsschwindler will Geld zum verspielen, er bekommt es unter Vorspielung falscher Tatsachen: der konkrete Umstand war mind. mitbestimmt für Vermögensverfügung, hypothetische Ersatzbedingungen sind verboten.

 

Ob der Getäuschte sich des vermögensmindernden Charakters seiner Verfügung bewusst war oder nicht spielt für ursächlichen Zusammenhang keine Rolle.

 

Die nicht mehr vertretenen juristische Vermögenstheorie sieht im Vermögen die Summe der einzelnen Vermögensrechte.

 

Der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff umfasst alle geldwerten Güter einer Person, auch Ansprüche aus verbotenen Geschäften oder widerrechtlich erlangte Werte.

 

Juristisch-ökonomische Vermittlungslehre: alle Vermögensgüter, die einer Person ohne rechtliche Missbilligung zukommen.

 

Rspr hält an wirtschaftlichen Vermögensbegriff mit juristisch-ökonomischem Einschlag zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Straf- und ZivR fest. Erwerbsaussichten, die nicht unter Schutz der Rordnung stehen fallen nicht unter strafrechtlich geschütztes Vermögen. Geschütztes Vermögen sind alle Güter und Positionen, die wirtschaftlichen Wert haben und die nicht ausdrücklich rechtlich missbilligt sind.

 

Vermögensschaden: Differenz Vermögensstand vor und nach Vermögensverfügung. Außerdem darf die Vermögenseinbusse nicht unmittelbar durch ein aus der Vermögensverfügung fließendes Äquivalent ausgeglichen sein.

 

Eingehungsbetrug (Täuschung bei Vertragsschluss) wenn der erlangte Anspruch hinter übernommenen Verpflichtung zurückbleibt. Bestimmung nach objektiven Wertmaßstäben unter Einbeziehung individueller Verhältnisse. Da noch kein Leistungsaustausch fehlt es an schadensgleicher Vermögensgefährdung, solange Zug-um-Zug-Einrede.

 

Bei Erfüllungsbetrug sind erbrachte Leistungen zu vergleichen.

 

Vermögensschädigung auch dann, wenn Getäuschte gleichwertige Leistung erhalten hat, die vertragliche Verpflichtung bei Durchschauung der Zusammenhänge aber nicht eingegangen wäre? Nein, Betrug schützt nur Vermögen, nicht Dispositionsfreiheit.

 

Entspricht Verkehrswert der Gegenleistung der Leistung des Getäuschten, kann bei Hinzutreten besonderer Umstände Vermögensbeschädigung nach den Grundsätzen des individuellen Schadenseinschlags in Betracht kommen (Techniker-Zeitschrift). Gegenleistung muss nach objektiver Betrachter-Sicht für die speziellen Zwecke und individuellen Bedürfnisse des Opfers nicht brauchbar sein.

 

Betrug auch bei sozialer Zweckverfehlung (sozialer Wohnungsbau..). Bei Klingelbeutelbetrug ist sozialer Zweck erreicht und damit Spende wirtschaftlich sinnvoll, Affektionsinteresse bedeutungslos. Verprassung Sozialleistung nicht, da sie sozialen Zweck verfehlte.

Bei allgemeinen Fragen zum Betrug im Zusammenhang mit Spenden wird auf folgenden Link verwiesen:

http://www.meinegeldanlage.com/thema/spenden

 

A bietet B für Fensterscheibeneinwerfen Geld: Betrug, da Vermögensschutz nicht verliert, wer sein Vermögen zu rechtswidrigen Zwecken einsetzt. Nur Umstand maßgebend, dass er zu einer wirtschaftlich sinnlosen Ausgabe getäuscht worden war; nicht ausbleiben der Gegenleistung!

 

Einbrecher A verspricht Komplize B 50% des Beutekaufs, gibt aber nur 20%: Ansprüche aus ausdrücklich missbilligten gesetz- oder sittenwidrigen Abmachungen sind kein strafrechtlich geschütztes Vermögen.

Vermögensbeschädigung auch konkrete Vermögensgefährdung, wenn Tatsachen vorliegen, die gegenwärtige Vermögenslage verschlechtern. (Prozessrisiko bei gutgläubigem Erwerb)

 

Anstellungsbetrug ist Eingehungsbetrug, da zugesagte Leistungen die übernommenen Dienste übersteigen.

 

Subj. TB: mind. Eventualvorsatz, Vorsatz muss auch Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils betreffen. Hat Täter keinen fälligen und einredefreien Anspruch > kein Betrug, da das verfolgte Ziel auch dann der materiellen Rlage entspricht, wenn es mit unlauteren Mitteln erstrebt wird.

 

Stoffgleichheit= Vorteil und Schaden müssen durch dieselbe Vermögensverfügung vermittelt werden.

 

Vorliegen einer Drittbereichungsabsicht macht noch keinen Mittäter, Tatherrschaft und Willen ist dazu erforderlich.

 

Regelbeispiele wie bei Diebstahl Strafzumessungsregeln.

 

Vermögensverlust großen Ausmaßes: muss aus Rahmen durchschnittlicher Betrugsschäden nach objektivem Maßstab erheblich herausfallen, ab 50 000 €.

 

Große Zahl von Menschen: mind. 20

 

Wirtschaftliche Not: Opfer fehlen Mittel für lebenswichtige Aufwendungen für sich oder unterhaltsberechtigte Personen.

 

Mitbestrafte Nachtat, wenn der Betrug die erlangten Vorteile sichern soll, ohne dass ein neuer Vermögensschaden entsteht.

 

Bagatell-, Haus-, und Familienbetrug Strafantragserfordernis nach Absatz 4!

 

Abgrenzung Betrug / Diebstahl:

Gutglaubenserwerb der gestohlenen Sache ist ausgeschlossen, nicht aber der ertrogenen. Qualikationen der §§ 244, 244a bei Diebstahl gibt es bei Betrug nicht.

 

Betrug ist Selbst-, Diebstahl Fremdschädigungsdelikt. Betrug und Diebstahl scheiden sich daher aus (Exklusivitätsthese). Bei Betrug muss Schadenseintritt unmittelbar aufgrund der Verfügung (=selbstschädigender Gebeakt) entstehen.

 

Diebstahl ist anzunehmen, wenn die Aushändigung der Sache ohne vollständigen Gewahrsamswechsel besteht. Beispiel: Gepäckträger täuscht Kunde, sein Gepäck einzuschließen, dann klaut er: Gewahrsamslockerung.

 

Bei vorgetäuschten Beschlagnahmen: Getäuschter ist mit Gewahrsamswechsel nicht aus freien Stücken einverstanden, und beugt sich der Gewalt > keine freiwillig zustande gekommene Vermögensverfügung, da Gebeakt nicht Ergebnis innerlich freien Willensentschlusses ist, sondern Folge des ihn bedrängenden Zwanges.

 

Im Chantagefall hat Opfer noch Entscheidung, im Beschlagnahmefall sieht Opfer die Sache so oder so verloren. Prüfungsschema bei Beschlagnahmefall: erst Diebstahl, dann Betrug.

 

Um Charakter des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt zu wahren, ist beim Sachbetrug Verfügungsbewusstsein zu verlangen. Denn sonst weis das Opfer ja gar nicht, dass es sich selbst schädigt, was zur Wegnahme führt. Bei Verneinen der Frage der Kassiererin nach verdeckter Ware > kein Betrug. Denn es geht nur darum die Wegnahme zu verschleiern, nicht aber die Kassiererin zur Weggabe zu bewegen. Es fehlt Mindestmaß an personaler Beteiligung. Wenn Windelpackung mit Zigarettenstangen gefüllt wird und für Windeln gezahlt wird Betrug, da willentliche Übergabe der Packung eine Vermögensverfügung darstellt.

 

Abgrenzung Dreiecksbetrug (Täter, irrtumsbedingt Verfügender, Geschädigter) zu Diebstahl in mittelbarer Täterschaft:

 

Bei nur rein faktischer Nähe des Verfügenden fehlt die Abgrenzung zum Diebstahl in mittelbarer Täterschaft. Denn Verfügender muss an sich rechtlich befugt (zB Arbeitsvertrag) und auch subjektiv berechtigt sein. Ein Näheverhältnis muss schon vor der Tat bestanden haben und eine engere Beziehung zum Vermögen haben als Außenstehende (Lagertheorie). Diebstahl, wenn Getäuschter in keiner Obhutsbeziehung stand. Lagertheorie meint nicht irgendwo im Lager des Getäuschten: wenn Gärtner Pelzmantel herausgibt > Diebstahl in mittelbarer Täterschaft.