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Körperverletzung

Dr. Matthias Losert, LL.M.

Rechtsanwalt

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Es gibt zahlreiche Körperverletzungsdelikte, die alle im 17. Abschnitt des Strafgesetzbuchs (StGB) als Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit aufgeführt werden. Die Körperverletzung nach § 223 StGB ist die Ausgangsform, der sogenannte Grundtatbestand der vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte. Wird dieser Grundtatbestand um strafverschärfende Merkmale erweitert, handelt es sich um eine Qualifikation.

Ein Strafverfahren wegen Körperverletzung sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Es empfiehlt sich, schon in einem frühen Stadium einen Anwalt herbeizuziehen. Denn schon bei einer einfachen Körperverletzung kann eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt werden. Oftmals ist es auch rechtlich umstritten, ob eine gefährliche Körperverletzung vorliegt. Hier sollte ein versierter Anwalt prüfen, ob die Qualifikation zur gefährlichen Körperverletzung tatsächlich angenommen werden muss.

1. Einfache vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB)
Der Straftatbestand der Körperverletzung schützt das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit. Es gibt zwei Begehungsweisen der Körperverletzung. Sie kann durch eine körperliche Misshandlung oder durch Schädigen der Gesundheit einer anderen Person begangen werden.

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGH, Urteil vom 3.5.1960, Az. 1 StR 131/60).

Der körperliche Zustand, in dem sich das Opfer vor der Misshandlung befand, muss demnach durch die Tat verschlechtert werden und das hervorgerufene Unwohlsein eine gewisse Bagatellgrenze überschreiten.

Auch eine psychische Belastung kann als körperliche Misshandlung gewertet werden, wenn sie sich in einem körperlichen Zustand manifestiert. (BGH, Urteil vom 26.2.2015, Az. 4 StR 548/14, Rn. 4)

Ein bloßes Erschrecken, Durchfall nach einem Angsterlebnis (OLG Köln, Urteil vom 8.3.1996, Az. Ss 106/96 – 42) oder Hervorrufen von Ekel (OLG Zweibrücken, Urteil vom 18.6.1990, Az. 1 Ss 238/89), sind noch keine körperliche Misshandlungen.

Bei einem Schlag in das Gesicht muss zumindest ein kurzfristiger Schmerz auftreten (BGH, Urteil vom 22.10.2013, Az. 3 StR 323/13).

Bejaht wurde eine körperliche Misshandlung hingegen bei einem durch Anspucken ausgelöstem Brechreiz (BGH, Urteil vom 18.8.2015, Az. 3 StR 289/15, Rn. 4) oder bei aus Angst hervorgerufene Magenschmerzen (BGH, Urteil vom 15.10.1974, Az. 1 StR 303/74, Rn. 14). Hier hat sich die psychische Belastung in körperlichen Symptomen geäußert.

Eine körperliche Misshandlung kann auch gleichzeitig die Gesundheit schädigen, muss sie allerdings nicht.

Eine Gesundheitsschädigung ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustands (BGH, Urteil vom 4.11.1988, Az. 1 StR 262/88, s7).

Von einem krankhaften Zustand kann immer dann ausgegangen werden, wenn die Einwirkung auf das Opfer einen Heilprozess durch den Körper erforderlich macht.

Starke emotionale Reaktionen auf Belastungen, wie etwa starke Gefühlsregungen, sind keine Gesundheitsschädigungen (BGH, Urteil vom 26.2.2015, Az. 4 StR 548/14, Rn. 4).

Der Täter muss die körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsschädigung auch vorsätzlich begangen haben. Er muss demzufolge entweder von den Folgen gewusst (Absicht), sie gewollt (Wissentlichkeit) oder sie billigend in Kauf genommen (Eventualvorsatz) haben.

Die Körperverletzung wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft (§ 223 Abs. 1 Halbs. 2 StGB).

2. Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB)
Eine fahrlässige Körperverletzung liegt vor, wenn bei Aufbietung der erforderlichen Sorgfalt die körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung hätte vermieden beziehungsweise verhindert werden können.

Die fahrlässige Körperverletzung ist vor allem bei Unfällen wie beispielsweise im Straßenverkehr relevant. Die fahrlässige Körperverletzung wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe sanktioniert.

3. Antrags- oder Offizialdelikt?
Die einfach vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB) und fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) sind Antragsdelikte. Das bedeutet, dass sie nur auf Antrag verfolgt werden, es sei denn es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung (§ 230 StGB).

Der Strafantrag kann bei der Staatsanwaltschaft, der Polizei oder einem Gericht gestellt werden (§ 158 Abs. 2 StPO). Wichtig ist, dass der Strafantrag innerhalb von drei Monaten gestellt und auch unterschrieben wird. Vielfach vergisst die Polizei, den Anzeigenerstatter auf das Unterschreiben eines Strafantrags hinzuweisen.

Alle folgenden Formen der Körperverletzung sind Offizialdelikte, die von Amts wegen verfolgt werden und demzufolge keinem Strafantrag bedürfen.

4. Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB)
Die gefährliche Körperverletzung ist eine Qualifikation der einfachen Körperverletzung. § 224 Abs. 1 StGB zählt fünf Merkmale auf, von denen mindestens eins zutreffen muss, um den Straftatbestand zu erfüllen. Die Merkmale stellen vor allem auf eine gefährliche Begehungsweise der Tat oder eine beschränkte Verteidigungsmöglichkeit des Opfers ab. Diese Merkmale werden im Folgenden dargestellt:

a) durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen
Gifte sind organische oder anorganische Stoffe, die durch ihre chemische Wirkung die Gesundheit schädigen können. Beispiele dafür sind:

  • Arsen, Blausäure, Zyankali
  • Salzsäure (BGH, Urteil vom 12.8.1960, Az. 4 StR 294/60)
  • Stechapfelsamen (BGH, Urteil vom 10.10.1978, Az. 1 StR 345/78)
  • K.o.-Tropfen (BGH, Urteil vom 27.1.2009, Az. 4 StR 473/08)

Es gibt noch viele weitere Stoffe, die keine Gifte sind, aber dennoch eine gesundheitsschädliche Wirkung haben.

Dazu gehören beispielsweise:

  • zerstoßenes Glas
  • kochendes oder tiefgefrorenes Material
  • ätzende Flüssigkeiten
  • Gase wie Reizgasoder Tränengas
  • Rauch einer Seenotrettungsfackel im Fußballstadion (LG Essen, Urteil vom 3.3.2015, Az. 31 Ns 213/14)

Doch auch eigentlich ungefährliche Mittel wie Kochsalz können bei entsprechender Dosierung zu gesundheitsgefährdenden Stoffen werden (BGH, Urteil vom 16.3.2006, Az. 4 StR 536/05).

b) mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs
Eine Waffe ist ein Gegenstand, der dazu bestimmt ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Am geläufigsten sind Stich-, Hieb- und Schusswaffen.

Ein gefährliches Werkzeug ist jeder bewegliche Gegenstand, der durch die Art seiner konkreten Verwendung die Gesundheit oder das Leben einer anderen Person gefährdet.

Unbewegliche Gegenstände, wie beispielsweise Wände, sind somit ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 6.9.1968, Az. 4 StR 320/68).

Ein Hund, der auf einen Menschen gehetzt wird (BGH, Urteil vom 26.2.1960, Az. 4 StR 582/59, s153), oder ein fester Schuh, der zu einem heftigen Tritt genutzt wird (BGH, Urteil vom 23.6.1999, Az. 3 StR 94/99, Rn. 4), können gefährliche Werkzeuge sein.

c) mittels eines hinterlistigen Überfalls
Wenn ein Überfall bloß das Überraschungsmoment ausnutzt, ist er nicht hinterlistig. (BGH, Urteil vom 9.9.2004, Az. 4 StR 199/04).

Vielmehr muss der Täter seine Absichten derart verdecken, dass der Gegner keinen Angriff erwartet und ihm daher Abwehr und Verteidigung des Angriffs erschwert werden.

d) mittels einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich
Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn mindestens zwei Personen bei einer Körperverletzung zusammenwirken. Es genügt jedoch bereits, wenn nur eine Person die Verletzungshandlung ausführt und von den anderen Beteiligten dabei unterstützt wird (BGH, Urteil vom 14.10.1999, Az. 4 StR 312/99, Rn. 14).

e) mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
Dieses Merkmal erfüllen alle Handlungen, die potentiell lebensgefährlich sind. Dazu zählen beispielsweise:

    • Messerstiche
    • festes Würgen
    • mehrfache Tritte oder heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers bei entsprechender Schwere (BGH, Urteil vom 6.6.2007, Az. 2 StR 105/07)

5. Strafe
Die gefährliche Körperverletzung zieht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren nach sich, in minder schweren Fällen wird sie auf drei Monate bis fünf Jahre gesenkt.

6. Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB)
Die schwere Körperverletzung ist im Gegensatz zur gefährlichen Körperverletzung eine Erfolgsqualifikation, stellt also lediglich auf die Folgen der Tat und nicht ihre Begehungsweise selbst ab. Es muss dennoch zumindest einen Risikozusammenhang zwischen der begangenen Körperverletzung und den schweren Folgen geben. Diese Folgen werden in § 226 Abs. 1 StGB abschließend aufgeführt.

a) Verlust des Sehvermögens auf einem oder beiden Augen, des Gehörs, des Sprechvermögens oder der Fortpflanzungsfähigkeit
Von einem Verlust des Sehvermögens oder Gehörs ist frühestens dann auszugehen, wenn die Fähigkeit auf lediglich 10% des Normalzustands gesenkt wird. Es genügt wenn das Sehvermögen auf einem Auge verloren geht, das Gehör muss jedoch vollständig (auf beiden Ohren) verloren gehen.

Unter der Fortpflanzungsfähigkeit wird die Fähigkeit verstanden, Nachkommen zu zeugen. Da auch Kinder die Anlage besitzen, in der Zukunft zeugungsfähig zu sein, können sie von dieser Folge betroffen sein; Frauen in der Menopause jedoch nicht.

Beispiele, in denen der Verlust der Zeugungsfähigkeit bejaht wurde:

  • Zerstörung der Hoden (LG Bielefeld, Urteil vom 15.4.2011, Az. 02 KLs-46 Js 599/10-18/10)
  • Schuss auf das Geschlechtsteil (BGH, Urteil vom 7.2.1967, Az. 1 StR 640/66)
  • Operative Entfernung der Gebärmutter (BGH, Urteil vom 28.11.1957, Az. 4 StR 525/57)
  • Operative Eileiterunterbrechung (BGH, Beschluss vom 25.3.1988, Az. 2 StR 93/88)

b) Verlust oder dauernde Unbrauchbarkeit eines wichtigen Körperglieds
Ein Körperglied gilt als verloren, wenn es physisch vom Körper getrennt wird. Wenn lediglich die Funktionsfähigkeit des Glieds verloren geht, ist es unbrauchbar. Das Körperglied ist wichtig, wenn der Verlust oder die Unbrauchbarkeit dessen zu schweren Einschränkungen von körperlichen Aktivitäten führt. Beispielhaft wären Beine, Arme, Hände oder der Daumen zu nennen.

c) Dauernde Entstellung in erheblicher Weise, Siechtum, Lähmung, geistige Krankheit oder Behinderung
Eine Entstellung liegt vor, wenn die äußere Erscheinung derart ästhetisch verändert wird, dass mit dauerhaften Nachteilen im Umgang mit dem Umfeld zu rechnen sind.

Beispiele aus der Rechtsprechung sind:

                  • Ein „wie tot wirkendes Auge“ nach einer Salzsäureverätzung (BGH, Urteil vom 21.10.1983, Az. 2 StR 289/83)
                  • Störende Narben an Gesicht oder Hals (BGH, Urteil vom 8.11.1966, Az. 1 StR 450/66)
                  • Schwere Verbrennungsnarben (BGH, Urteil vom 13.12.2017, Az. 2 StR 230/17)

Unter Siechtum wird ein chronischer Krankheitszustand verstanden, der das Allgemeinbefinden auf unabsehbare Zeit stark beeinträchtigt.

Bei einer Lähmung geht die Bewegungsfähigkeit von Körperteilen verloren. Die Lähmung muss zu einer allgemeinen Beeinträchtigung des Körpers führen. In diesen Fällen wurde eine Lähmung bejaht:

                  • Funktionsausfall von Teilen der linken Körperhälfte nach einem seitlichen Kopfschuss (BGH, Urteil vom 14.12.2000, Az. 4 StR 327/00)
                  • Die dauerhafte Versteifung des Knie- oder Hüftgelenks, durch die eine normale Fortbewegung stark eingeschränkt wird (BGH, Urteil vom 3.5.1988, Az. 1 StR 167/88)

Vom Begriff der geistigen Krankheit werden sämtliche Schäden an der psychischen Gesundheit erfasst. Die Rechtsprechung ging bei folgenden Beispielen von einer geistigen Krankheit aus:

                  • Epilepsie nach einer Hirnschädigung (BGH, Urteil vom 22.01.1997, Az. 3 StR 522/96)
                  • Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma (BGH, Beschluss vom 31.8.2017, Az. 4 StR 317/17)

Eine geistige Behinderung ist eine nicht nur unerhebliche und nicht nur vorübergehende Störung der Gehirntätigkeit, die nicht bereits als geistige Krankheit qualifiziert ist. (BGH, Beschluss vom 16.12.2008, Az. 3 StR 453/08)

Der Bundesgerichtshof nahm dies bei einer Agnosie an. Sie ist ein Verlust der Fähigkeit, bestimmte Sinne wahrzunehmen. In diesem Fall war das Opfer von einer Gesichtsblindheit betroffen. (BGH, Beschluss vom 16.12.2008, Az. 3 StR 453/08)

7. Strafe
Die schwere Körperverletzung wird mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren sanktioniert (§ 226 Abs. 1 am Ende StGB).

Hat der Täter diese Folgen absichtlich oder wissentlich herbeigeführt, erhöht sich die Freiheitsstrafe auf nicht unter drei Jahre (§ 226 Abs. 2 StGB).

In minder schweren Fällen wird eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren (§ 226 Abs. 1 StGB) oder einem Jahr und zehn Jahren (§ 226 Abs. 2 StGB) verhängt.

8. Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB)
Auch die Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB ist eine Erfolgsqualifikation. Der „Erfolg“ liegt hierbei im Tod des Opfers durch die begangene Körperverletzung.

Neben den bereits genannten Formen der Körperverletzung werden hierzu auch die Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB) und die Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a StGB) gezählt. Die Körperverletzung selbst muss potentiell tödlich sein, der Täter darf allerdings nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt haben und der Todeseintritt muss zumindest fahrlässig herbeigeführt worden sein.

Eine Körperverletzung mit Todesfolge wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren geahndet (§ 227 Abs. 1 Halbs. 2, Abs. 2 StGB).

9. Versuch
Der Versuch aller vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte ist strafbar (§ 223 Abs. 2; § 224 Abs. 2; § 225 Abs. 2; § 226 i.V.m § 23 Abs. 1, § 12 Abs. 1; § 226a i.V.m § 23 Abs. 1, § 12 Abs. 1; § 227 i.V.m § 23 1, § 12 Abs. 1)

Lediglich bei der fahrlässigen Körperverletzung existiert keine Versuchsstrafbarkeit, da ohne Vorsatz eine Straftat auch nicht versucht werden kann.