Skript zum Polizeirecht

Dr. Matthias Losert, LL.M.

Rechtsanwalt

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Polizeibegriff:

Materieller = Gefahrenabwehr

Formeller = Summe der Zuständigkeiten

Institutioneller = Polizeibehörde

 

Im Vordergrund polizei- und ordnungsrechtlicher Aktivitäten steht die präventive Aufgabe der Gefahrenabwehr. Ermittlungen und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sind repressive Aufgaben. Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nehmen einen zentralen Platz ein.

 

Man unterscheidet Aufgaben- und Befugnisnormen:

Befugnisnormen vermitteln der Behörde spezifische Eingriffsermächtigungen.

Aufgabennormen beschreiben den Aufgabenbereich und markieren äußere Zulässigkeitsgrenzen für ein breiteres Spektrum denkbarer behördlicher Aktivitäten.

 

Personenbezogene Informationserhebung der Polizei (gezieltes Sammeln, Observieren, beobachtende Fahndung, Speichern und Auswerten von Erkenntnissen) greift in das anerkannte Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“ ein und bedarf einer Eingriffsermächtigung.

 

Schutz der öffentlichen Sicherheit bedeutet Schutz der objektiven Rechtsordnung. Das ist:

-Schutz der Unverletzlichkeit der Rordnung

-Schutz des Bestandes des Staates, seiner Einrichtungen und Veranstaltungen

-Schutz subjektiver Rechte und Rgüter des Einzelnen (Leben, Gesundheit, Freiheit..)

 

„Vorsicht Radarfalle“-Schild gefährdet öffentliche Sicherheit wegen Behinderung der präventiv-polizeilichen-Maßnahme.

 

Zumindest muß auch ein öffentliches Interesse am polizeilichen Schutz bestehen. Private Rechte umfasst der Polizeischutz nur, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist oder die Verwirklichung des Rechts wesentlich erschwert würde. An öffentlichem Interesse kann es fehlen bei ausschließlicher Selbstgefährdung. Bei Selbstmordversuch liegt öffentliches Interesse vor, wenn er vor den Augen der Öffentlichkeit oder in einem behördlichen Verantwortungsbereich unternommen wird.

 

Schutz der öffentlichen Ordnung umfasst nicht durch positive Rechtsnormen erfasste Verhaltensweisen, die nach den jeweils herrschenden Anschauungen zu den unerlässlichen Voraussetzungen eines gedeihlichen menschlichen Zusammenlebens gehören.

 

Problematisch daran sind die unterschiedlichen Wertvorstellungen in der pluralistischen Gesellschaft. Nach Rspr ist öffentliche Ordnung ein wertausfüllungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriff.

 

Als Eingriffsschwelle in private Rechtspositionen fungiert die Gefahr.

 

Gefahr ist eine Sachlage, in der bei ungehindertem Geschehensablauf ein Zustand oder ein Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit zum einem Schaden der Schutzgüter führt.

 

Die Konstatierung der Gefahr muss anhand objektiver Kriterien bei verständiger Würdigung der Sachlage erfolgen. Korrekt ist die Beurteilung, die ein gut ausgebildeter, erfahrener und besonnener Beamter treffen würde. Ein polizeiliches Einschreiten aufgrund subjektiver Gefahreinschätzung (Putativgefahr) ist stets rechtswidrig. Der zur Bestimmung der einschlägigen Gefahrenschwelle maßgebliche Wahrscheinlichkeitsgrad hängt von der Wertigkeit und Schutzbedürftigkeit der Schutzgüter ab.

 

Auch bezüglich der Prognoseentscheidung ist kein behördlicher Beurteilungsspielraum anerkannt.

 

Unterhalb der Gefahr sind Belästigungen oder Unbequemlickeiten angesiedelt (Hundegebell, wildes Plakatieren) die die Eingriffsschwelle NICHT überschreiten.

 

Unmittelbar bevorstehende Gefahr = Sachlage, bei der akuter Schadenseintritt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

 

Dringende Gefahr, erhebliche Gefahr = muss nicht unmittelbar bevorstehen, aber Schäden für bedeutsame Rgüter oder Schäden großen Ausmaßes zu erwarten sind.

 

Gegenwärtige Gefahr = Einwirkung des schädigenden Ereignisses hat bereits begonnen oder steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevor.

 

Gefahr für Leib oder Leben = nicht nur leichte Körperverletzungen oder Tod zu erwarten.

 

Latente Gefahr = zunächst ungefährliche Lage entwickelt sich unter Hinzutreten externer Umstände zu einer aktuellen Bedrohung (Stadt wächst an Schweinemästerei heran)

 

Gefahr im Verzuge dient als Kompetenzbasis zur ausnahmsweisen Legitimation polizeilicher Anordnungen.

 

Polizeiliches Handeln ist auch legal, wenn sich im Nachhinein (ex post) herausstellen sollte, dass selbst bei Untätigbleiben kein Schaden entstanden wäre, Anscheinsgefahr. Auf Erstattung der Kosten kann die Polizei den Störer dann aber nur in Anspruch nehmen, wenn er die Anscheinsgefahr veranlasst und zu verantworten hatte. ZB Wohnungseigentümer erweckt Eindruck, er wäre zuhause durch Zeitschaltuhr, Dritte vermuten Unfall und brechen Tür auf > muss zahlen. Gilt aber nicht, wenn er es den Nachbarn sagte und sie denken, es wäre ein Einbrecher in der Wohnung.

 

Bei auf feststehenden Tatsachen fußendem Gefahrenverdacht ist die Polizei zum Einschreiten grundsätzlich befugt.

 

1. Muß Verdachtsstörer Gefahrerforschungsmaßnahme nur dulden oder selbst durchführen?

Nach § 24 VwVfG eigentlich behördliche Aufgabe, deshalb nur dulden. Aus § 26 II VwVfG kann aber keine Mitwirkungspflicht im eigentlichen Sinne abgeleitet werden.

 

2. Hat der Verdachtsstörer die Kosten der Gefahrerforschungsmaßnahme zu  tragen?

Nein, Kostentragung ist prinzipiell Sache der Behörde. Gegenmeinung bejaht die Frage, wenn sich Gefahrenverdacht bestätigt hat, sonst aber auch nicht.

 

Grundsätzlich kann nur der Störer in Anspruch genommen werden, nur in Ausnahmefällen eine für die Gefahr nicht verantwortliche Person (polizeirechtlicher Notstand). Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch bei ordnungsrechtlichen Spezialgesetzen, zB Abfallrecht.

 

Das Polizeirecht geht von dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für eigenes Handeln aus. Es kommt nur auf die Verursachung an, nicht auf Verschulden. Dem Handeln entspricht auch ein Unterlassen entgegen einer Pflicht zu sicherheits- oder ordnungswahrendem Tun (passiver Störer, zB Rattenbekämpfung).

 

Ursächlich iSd Polizeirechts ist nach der hL der „Theorie der unmittelbaren Verursachung“ ein Verhalten des Störers, dass selbst die konkrete Gefahr unmittelbar herbeiführt, wenn der Störer die Gefahrenschwelle überschritten hat.

 

Derjenige, der eine von der Rordnung vorgesehene Möglichkeit der Rechtsausübung in sozialüblicher Weise wahrgenommen hat, ist nach der hL aber regelmäßig kein Störer. Hier greift die Theorie der rechtswidrigen Verursachung ein, welche denjenigen als Verantwortlichen ansieht, der die durch die Rordnung seinem Rkreis gezogenen Grenzen überschreitet.

 

Verhaltensstörer ist nicht der, der lediglich Inhaber des Gegenmittels ist, er bleibt Nichtstörer.

 

Zweckveranlasser: wer in eigener Person die Gefahr nicht unmittelbar realisiert hat, aber die Verhaltensverantwortung treffende Dritte gezielt dazu veranlasst, sich polizeirechtswidrig zu verhalten ODER durch das Verhalten der Dritten eine Gefahr sich als Folge zwangsläufig einstellt ist auch Handlungsstörer.

 

Gilt NICHT für Gegendemonstranten einer Demo oder bei Sportveranstaltungen bezüglich Hooligans. Bei Bestellung von Verrichtungsgehilfen (Plakataufkleber) oder Aufsichtpflichten treffen auch den „Dahinterstehenden“ die polizeirechtliche Verantwortung.

 

Zustandsstörer: Für von einer Sache ausgehenden Gefahr wird eine Zustandshaftung statuiert, eine kumulative Verantwortlichkeit des Eigentümers und des Inhabers der tatsächlichen Gewalt. Die Sache muss selbst unmittelbar die Gefahrenquelle bilden (Unbebautes Grundstück als Lärmquelle)

 

Wer die tatsächliche Gewalt ohne Willen des Eigentümers ausübt, trifft ausnahmsweise die alleinige Verantwortung. Sonst orientiert sich die polizeiliche Zustandshaftung nach der zivilrechtlichen Eigentumssituation; der Eigentümer kann sich von seiner Zustandsverantwortlichkeit aber nicht durch Dereliktion befreien.

 

Der Umfang der Zustandshaftung ist wegen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 II GG prinzipiell unbeschränkt. Nach Gegenauffassung gelten Ausnahmen bei Ereignissen, die innerhalb der Risikosphäre der Allgemeinheit liegen (Kriegsfolgen, Massenverkehr).

 

Rechtsnachfolge in die polizeirechtliche Verantwortlichkeit:

Bei der polizeilichen Handlungshaftung geht es um die rechtlichen Konsequenzen persönlicher Verhaltensweisen; eine Rechtsnachfolge ist hier abzulehnen.

 

Bei Zustandsverantwortlichkeit kann auch der Rechtsnachfolger in Anspruch genommen werden, das folgt aus der Dinglichkeit der Zustandshaftung. Denn sonst könnte ja der Schwarzbauer durch Kettenveräußerungen seiner Haftung entgehen. Vor einer Festsetzung der Ersatzvornahme muss, da diese einen höchstpersönlichen Charakter hat und im Verhalten des Rechtsnachfolger wurzelt, diese gesondert angedroht werden.

 

Bei Eingriffen der Polizei in den hoheitlichen Tätigkeitsbereich dritter Behörden ist schon die sachliche Zuständigkeit zu verneinen; es ist die Aufsichtsbehörde einzuschalten. Grundsatz: Keine Hoheitsgewalt gegen Hoheitsträger.

 

Störerauswahl: Behörde ist befugt, alle oder einzelne Störer oder nur einen einzigen Verantwortlichen heranzuziehen. Maßgeblich ist der Gesichtspunkt der „wirksamen und schnellen Gefahrenbeseitigung“. Sonst Faustregel: Handlungs- vor Zustandsstörer.

 

Das Übermaßverbot ist für die Ermessensausübung Direktive und Schranke als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Geeignetheit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit i.e.S.

 

Mittelaustauch ist generell anerkannt: Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehre Mittel in Betracht, so genügt es, wenn eines davon bestimmt wird. Dem Betroffenen ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird. ZB Sanierung statt Abriss bei Abrissverfügung.

 

Prüfungsschema für Polizeirechtsklausur:

  1. Gefahr ?
  2. War Behörde zum Einschreiten befugt ? (Entschließungsermessen)
  3. Wurde Störer in Anspruch genommen ? (Störerauswahl Beschränkung nach § 114 VwGO, also nur auf Ermessensfehler überprüfen)
  4. War das eingesetzte Mittel hinreichend bestimmt, tauglich, notwendig und verhältnismäßig i.e.S. ?
  5. War Mittelauswahl akzeptabel ? (Ermessenskontrolle nach § 114 VwGO)
  6. Mittelaustausch zu Recht abgelehnt?

 

Hat Bürger Anspruch auf polizeiliches Einschreiten?

  • Verpflichtungsklage, polizeiliche Generalklausel hat drittschützenden Charakter, Betroffener hat aber nur formelles subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung. Nur bei Ermessenschrumpfung auf Null, wenn nur eine Entscheidung als rechtmäßig anzusehen ist, hat er Anspruch. Rechtsschutzinteresse: Auf den Grundsatz polizeirechtlicher Zuständigkeit kann nur zurückgegriffen werden, wo eine Verweisung auf den ordentlichen Rechtsweg unzumutbar ist.

 

Zur Gefahrenabwehr darf sich Polizei nur an die dafür Verantwortlichen wenden, nur ausnahmsweise, im Falle des polizeirechtlichen Notstands ist auch die Inanspruchnahme Dritter erlaubt. Nur zulässig, wenn

 

  1. gegenwärtige erhebliche Gefahr, also akute und gewichtige Rechtsgüterbedrohung vorliegt
  2. Maßnahmen gegen Störer nicht möglich sind
  3. Gefahrenabwehr durch eigene Kräfte wären unmöglich (keine fiskalischen Erwägungen)
  4. keine erhebliche eigene Gefährdung oder Verletzung höherwertiger Pflichten des Dritten sich ergeben.

Zur Abwehr der von der Gegendemonstration ausgehenden Gefahren darf gegen Veranstalter der rechtmäßigen Demo nicht eingeschritten werden, bevor gegen Gegendemo Auflagen oder Verbot verfügt wurde.

 

Behörde ist zur Folgenbeseitigung gehalten, Belasteter hat auch Entschädigungsanspruch.

 

Das Polizeirecht der Länder enthält Sondertatbestände für häufiger vorkommende, besonders schwerwiegende Eingriffe in die Freiheitssphäre des Bürgers > polizeiliche Standardmaßnahmen.

 

Identitätsfeststellungen und Prüfung von Berechtigungsscheinen:

Sistierung und Razzia (auf dem Überraschungseffekt basierende Sammelkontrolle); konkrete Gefahr für polizeiliche Schutzgüter oder Aufenthalt an einem Ort, wo Anhaltspunkte vorliegen, dass Straftaten verabredet oder verübt werden. Wegen Übermaßverbot ist darauf zu achten, dass nicht offensichtlich Unbeteiligte in die Überprüfung miteinbezogen werden. Mitnahme zur Wache (Sistierung) ist nur legitim, wenn Identitätsfeststellung an Ort und Stelle nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist. Bei Personalienfeststellung zur Sicherung privater Ansprüche muss der Anspruch hinreichend glaubhaft gemacht werden und ohne Feststellung die Rechtsdurchsetzung wesentlich erschwert wäre.

 

Es ist nicht Aufgabe der Polizei, zweifelhafte Zivilrechtsfragen selbst zu entscheiden.

 

Erkennungsdienstliche Maßnahmen:

Dazu darf Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht möglich sein oder dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, wegen Verdacht oder Wiederholungsgefahr. Wichtig: Im Polizeirecht vorhandene Ermächtigungsgrundlage gilt nur für präventiv-polizeiliche Anlässe, bei Strafverfolgung ist § 81b StPO einschlägig. Nach Abschluss des Strafverfahrens gilt für Aufbewahrung von ED-Unterlagen nicht mehr StPO, sondern Polizeirecht.

 

Vorladung:

Polizei kann mündlich oder schriftlich vorladen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben machen kann oder zur Durchführung von ED-Maßnahmen. Vorladung zur allgemeinen Ausforschung ist nicht statthaft. Eine zwangsweise Durchsetzung der Vorladung im Wege der Vorführung ist unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

 

Platzverweisung:

Polizei kann zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Vorübergehend ist unbestimmter Rechtsbegriff (= wenige Stunden bis zwei Wochen). Unzulässig ist jedoch die Verbringung eines des Platzes Verwiesenen an einen in unzumutbarer Entfernung gelegenen Ort um Rückkehr zu verhindern (Verbringungsgewahrsam). Weiterhin besteht die auf die Generalklausel abgestützte Befugnis, großräumig konzipierte Betretungs– und Aufenthaltsverbote für bestimmte Gebiete auszusprechen.

 

Ingewahrsamnahme:

-Statthaft zum eigenen Schutz der Person gegen Gefahr für Leib oder Leben, zB in hilfloser Lage

-zur Verhinderung unmittelbar bevorstehender Straftaten oder erheblichen Owi (Krawallmacher, Drogenhändler). Hier ist in der Verhältnismäßigkeitsabwägung zu berücksichtigen, ob die Duldung des betreffenden Verhaltens den Eindruck vermitteln könnte, der Rechtsstaat könne sich nicht durchsetzen.

-zur Durchsetzung der Platzverweisung

 

Wird eine Person zum Zwecke der Identitätsfeststellung, Vorführung oder Ingewahrsamnahme festgehalten hat die Polizei unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen. Gilt nicht, wenn anzunehmen ist, dass die richterliche Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der polizeilichen Maßnahme ergehen würde. Amtsgericht ist zuständig!

 

Durchsuchung von Personen und Sachen:

Suche in denen am Körper befindlichen Kleidungsstücken, Abtasten des bekleideten Körpers, Nachschau am unbekleideten Körper und ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen wie dem Mund (Gegensatz Untersuchung = Suche nach Fremdkörpern im Genitalbereich)

 

Betreten und Durchsuchungen von Wohnungen:

Polizei kann (bei Aufenthalt von Kindesentführer in Wohnung) sowohl zur Gefahrenabwehr (Schutz des Kindes) als auch zur Strafverfolgung (Ergreifung des Täters) tätig werden, Doppelfunktion. Der Begriff Wohnung ist weit auszulegen, auch Betriebs- und Geschäftsräume. Durchsuchungen zur Nachtzeit sind nur erlaubt, wenn sie das einzige Mittel sind, eine Gefahr für Leib oder Leben abzuwenden.

 

Sicherstellung von Sachen:

Die Polizei kann aus Gründen der Gefahrenabwehr eine Sache sicherstellen.

Um eine Gefahr abzuwenden, die von der Sache selbst oder von der Person ausgeht, die die Sache besitzt. Bestehen Unklarheiten über die Person, kann eine adressneutrale Sicherstellung (=Realakt) geboten sein, zB straßenrechtswidrig abgestellter Altkleidercontainer. Oder um den Eigentümer vor Verlust oder Beschädigung zu schützen, zB mit offenen Fenster dastehenden Oldtimer. Beschlagnahme dient nur zur Durchführung der Sicherstellung durch polizeilichen Zwang.

 

Bei ernsthafter Behinderung des Straßenverkehrs (Behindertenparkplatz, abstellen PKW auf Fußgängerüberweg) wird in Verbotsschildern das vollstreckungsfähige Gebot zur Entfernung des PKW gesehen. Fraglich ist die normative Basis solcher Aktionen:

  1. zwangsweise Durchsetzung einer auf die Generalklausel gestützte Verfügung in Gestalt der Ersatzvornahme
  2. die Bewertung als unmittelbarer Zwang
  3. die Standardmaßnahme der Sicherstellung

Letztere Auffassung ist realitätsnäher und verdient auch rechtssystematisch wegen des Vorrangs der Spezialermächtigungen für Standardmaßnahmen den Vorzug.

 

Sichergestellte Sachen sind in Verwahrung zu nehmen. Die Pflicht zur Herausgabe hinsichtlich der sichergestellten Sachen besteht, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind.

 

Neben den in den PolizeiG verankerten bestehen noch diverse sondergesetzliche Eingriffsermächtigungen. ZB Unterbringung psychisch Kranker, Ermächtigung nach VersammlungsG zur Auflösung von Versammlungen, Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten nach BSeuchenG, Vorkehrungen im Waffenwesen, Überwachung des Straßenverkehrs, der Wasserstraßen durch Strompolizei, Gewerbeüberwachung.

ABER: Soweit gesetzliche Vorschriften fehlen, richtet sich die Eingriffsbefugnis nach dem ASOG. Dieses gilt also subsidiär.

 

Polizei und Ordnungsbehörden müssen auch außerhalb des klassischen Rechts der Gefahrenabwehr diverse sondergesetzlich zugewiesene Aufgaben wahrnehmen (formell-polizeiliche Tätigkeiten), zB Ermittlung und Verfolgung von Straftaten und Owi sowie Amts- und Vollzugshilfe.

 

Bei Ermittlung und Verfolgung von Straftaten liegt repressives Tätigwerden vor. Strafverfolgung und Gefahrenabwehr kommen oft nebeneinander zur Anwendung, zB bei Wohnungsdurchsuchung, polizeiliche Doppelfunktion. Diese beiden Funktionen müssen wegen Blich auf den an der Ermächtigungsgrundlage angeseilten Rechtsschutz der Betroffenen voneinander unterschieden werden. Abgrenzungen:

 

„Soweit der Grund des polizeilichen Handelns dem Betroffenen nicht genannt wurde ist maßgeblich, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigem Bürger in der Lage des Betroffenen darstellt.“

 

Entscheidend ist, in welchem Funktionskreis die Behörde nach ihrer objektiven Zweckrichtung tätig werden will.

 

Rechtsschutz bei päventivem Tätigwerden § 40 VwGO, bei Strafverfolgungsmaßnahmen nach § 23 EGGVG.

 

Vollzugshilfe ist ein Unterfall der Amtshilfe. Amtshilfe ist ergänzende Hilfe für andere Behörden auf deren Ersuchen § 4 VwVfG, Art. 35 GG. Vollzugshilfe ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs für andere Behörden, die zur Durchsetzung ihrer Maßnahmen nicht in der Lage sind, auch auf Ersuchen)

 

Durch den Gedanke der „Entpolizeilichung“ wurde die Polizei im institutionellen Sinne von der Ordnungsverwaltung getrennt, Trennsystem. Eine kleine Anzahl von Bundesländern, BW, blieb in Orientierung am preußischen Recht bei einem einheitlichen materiellen Polizeibegriff und differenziert lediglich organisationsintern zwischen Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst.

 

Zu Polizei- und Ordnungsbehörden zählen auch die Feuerwehren. Feuerwehr und Rettungsdienst ist kommunale Selbstverwaltungsaufgabe. Weiterhin gibt es noch sondergesetzliche Zuweisungen polizeilicher Befugnisse an private Funktionsträger, zB Jagdaufseher, Schiffskapitän, Luftfahrzeugführer, Bahn- und Buspersonal.

 

Wenn Kompetenzüberschreitungen nicht ausdrücklich statuiert sind gilt im Polizeirecht grundsätzlich das Verbot der Doppelzuständigkeit. Für Schäden, die im Rahmen einer Organleihe (Landespolizei holt BGS zu Hilfe) entstehen, haftet im Außenverhältnis grundsätzlich der Anfordernde.

 

Sachliche Zuständigkeit: Vollzugspolizei hat, abgesehen von spezialgesetzlicher Ermächtigung, Maßnahmen nur zu treffen, wenn ein Handeln der Ordnungsbehörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint (Eilfallkompetenz = Recht des ersten Zugriffs). Fraglich ist, wer die Kosten eines auf die Eilfallkompetenz gestützten Eingriffs zu tragen hat.

 

Strittig:

  1. Nach dem Entstehungsprinzip trägt der Träger der Behörde, welche die Maßnahme eingeleitet und durchgeführt hat die Kosten.
  2. Nach einer anderen Ansicht trägt die Kosten der ohne die gebotene Eile zuständige und damit begünstigte Auftraggeber. Diese Sichtweise entspräche am ehesten dem Geist der grundgesetzlichen Regelungen über die grundsätzlich der Aufgabenverteilung folgende Ausgabenverteilung im Bundesstaat, Art. 104a GG.

 

Örtliche Zuständigkeit:

Nach § 3 VwVfG nur der räumlich abgrenzbare Bezirk in dem polizeiliche Schutzgüter verletzt werden. Aber einige PolizeiG verzichten auf eine bezirkliche Zuständigkeitsgliederung. Außerdem bestehen ansonsten keine starren Wertgrenzen, zur Sicherung der Effizienz gibt es weitgefaßte außerordentliche Zuständigkeiten, Stichworte Nachbarhilfe, Nacheile, Aufsichtsweisung.

 

Repertoire polizeilicher und ordnungsbehördlicher Handlungsinstrumente umfasst das volle Spektrum der im allgemeinen Verwaltungsrecht anerkannten Handlungsformen der Verwaltung und den öffentlich-rechtlichen Vertrag.

 

Polizei- und Ordnungsverfügung:

Prüfungsschema:

  1. Spezialgesetzliche Ermächtigungen, zB VersammlungsG
  2. Spezielle Ermächtigung im ASOG, zB Standardmaßnahmen
  3. Ordnungsbehördlicher Verordnung oder Polizeiverordnung, zB Taubenfütterungsverbot
  4. Generalklausel

 

Allgemeine Anforderungen an VA, beachte: Auflösung einer Demonstration ist Sammelverfügung als Erscheinungsform der Allgemeinverfügung. Zweitbescheid, zB nach Platzverweisung unter Berufung auf die Generalklausel ergeht nach Widerspruch erneuter Bescheid mit sorgfältiger Begründung und gestützt auf Spezialermächtigung. Auch darf vom Adressaten nichts rechtlich unmögliches verlangt werden, zB eine Abfallbeseitigungspflicht, die über die Pflichten des AbfallG hinausgeht. Behörde kann durch Duldungsverfügung gegen Dritten rechtliche Voraussetzungen für eine ungehinderte Durchsetzung der Ordnungsverfügung schaffen.

 

Sanierungsverfügung ergeht bei Altlasten. Bei den Verfügungsadressaten können nur zwei Störer (Zwei Gewerbetreibende auf dem Grundstück) bei Nachweis des jeweiligen Anteils der Störung für Kostentragung der Ersatzvornahme in Anspruch genommen werden.

 

Verantwortlichkeitsgrenzen: Rechtlich brisant ist die Frage, wer nach Genehmigungserteilung durch das genehmigte Verhalten Gefahren verursacht und in Anspruch genommen werden darf (Legalisierungswirkung der Genehmigung). Zu bedenken ist, dass die Störereigenschaft verschuldensunabhängig ist und das VA rücknehmbar sind.

 

Erwerber eines Reihenhauses auf kontaminiertem Gelände ist von Sanierungspflicht als Zustandsstörer befreit, wenn er gutgläubig war. Polizeiliche Verantwortlichkeit besteht nur zur Beseitigung einer Gefahr und nicht einer vorsorgenden Optimierung, daher zB bei Bodenbelastung nur Sanierung, nicht Rekultivierung.

Als Mittel präventiver Ordnungskontrolle steht die ordnungsbehördliche bzw polizeiliche Erlaubnis zur Verfügung, zB im Bauordnungs- und Gewerberecht, Waffenschein, HundehalterVO. Eine ins pflichtgemäße Ermessen der Behörde heißt freie Erlaubnis.

 

Ordnungsbehördliche Verordnung resp. Polizeiverordnung ist abstrakt-generell: Tatbestandliche Voraussetzung ist das Bestehen einer abstrakten Gefahr gefordert, dh einer Sachlage, aus der sich nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachkundiger Stellen typischerweise Gefahren entwickeln.

 

Einsatz polizeilicher Zwangsmittel ist in der Regel an abgestufte Voraussetzungen gebunden, es muss durchsetzbare Grundverfügung vorliegen, erst dann ist Zwang zulässig. Einsatz polizeilicher Zwangsmittel ohne vorausgehenden VA kommt im Wege des sofortigen Vollzugs zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr in Betracht (Zu unterscheiden von § 80 II Nr. 4 VwGO).

 

Gesetzlich vorgegebene Zwangsmittel sind Ersatzvornahme, Zwangsgeld und unmittelbarer Zwang.

 

Ersatzvornahme bedeutet Erzwingung vertretbarer Handlungen im Wege polizeilicher Selbstvornahme oder durch Beauftragung Dritter mit Vornahme (Fremdvornahme).

 

Zwangsgeld kommt bei nicht vertretbaren Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen, aber auch bei vertretbaren Handlungen in Betracht. Ist Zwangsgeld uneinbringlich, kann das VG auf Antrag der Polizei Ersatzzwangshaft als Beugemittel anordnen.

 

Unter unmittelbarem Zwang versteht man die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und Waffen. Sprengmittel dürfen nicht gegen Personen angewandt werden. Die Fesselung einer Person kommt in Betracht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie andere Menschen angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen will, fliehen wird oder befreit werden soll oder sich töten oder verletzen wird.

 

Versammlungsrecht:

Als Versammlung gilt eine Mehrheit natürlicher Personen, die an einem gemeinsamen Ort zu einem gemeinsam verbindenden Zweck zusammenkommen, um unter Einwirkung auf die Öffentlichkeit eine Diskussion zu führen oder eine Aussage zu artikulieren.

 

Grundrechtliche Schutzwirkung entfällt nicht, wenn mit Ausschreitungen einer Minderheit zu rechnen ist.

 

Von einer öffentlichen Versammlung kann nur gesprochen werden, wenn für jedermann ein Zutrittsrecht besteht. Nach § 14 VersG sind Versammlungen 48 Stunden davor anzumelden, eine Ausnahme besteht nur für Spontandemonstrationen. Eilversammlungen, die geplant sind und einen Veranstalter haben aber kurzfristig einberufen werden sollen nach der verfassungskonformen Auslegung des § 14 VersG sobald als möglich angemeldet werden.

 

Für die Entscheidung über ein Versammlungsverbot sind auch Grundsätze des polizeilichen Notstands anwendbar. Dass darf aber nicht dazu führen, dass der Grundrechtsträger auf Dauer an der Verwirklichung seines Freiheitsrechts gehindert wird, weil zB immer Gegendemonstrationen erwartet werden. Aufgabe der Polizei ist es, zur Verwirklichung des Rechtsstaates in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken.

Das Bannmeilengesetz des Bundes trat außer Kraft, nun gilt ein liberalisiertes Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes.

 

VersG sieht bestimmte Befugnisse der Polizei vor, zB Anwesenheitsrecht. Wer die zuständige Versammlungsbehörde ist bestimmt sich nach Landesrecht. Das VersG ist als abschließende Sonderregelung zu verstehen, ein Rückgriff auf die Generalklausel ist ausgeschlossen. Das gilt aber nicht bei Maßnahmen im Umfeld einer Demonstration. Untersagt ist nur eine Abstützung auf polizeiliche Ermächtigungsgrundlagen, soweit ein unmittelbarer Eingriff in die Versammlung selbst in Rede steht.

 

Polizeirechtliche Entschädigungs- und Ersatzansprüche richten sich nach Landesrecht. Bei Inanspruchnahme als Nichtstörer hat dieser grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung, wenn er nicht von anderen Ersatz zu erlangen vermag oder er durch die Maßnahme selbst (oder sein Vermögen) geschützt worden ist.

 

Wer als Nothelfer freiwillig bei der Gefahrenabwehr mitgewirkt hat, hat eigentlich keinen Ersatzanspruch, da er nur seiner Hilfeleistungspflicht nach § 323c StGB genügt. Die Zubilligung eines polizeirechtlichen Anspruchs rechtfertigt sich aber, wenn dessen spezialgesetzlich normierte Tatbestandsmerkmale vorliegen. Wer als unbeteiligter Dritter einen Schaden bei der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung erleidet und dabei nicht als Nichtstörer in Anspruch genommen worden ist hat einen Entschädigungsanspruch nach § 59 ASOG. In anderen PolG, die bewusst auf eine entsprechende Regelung verzichtet haben, kommen nur allgemeine Rechtsinstitute des öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruchs zur Anwendung gelangen.

 

Bei der Entschädigungsfrage ist nicht eine ex-ante Betrachtung wie bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verfügung angebracht, hier geht es um den gerechten Ausgleich erbrachter Opfer. Dabei muss auf die wirkliche, also objektive Sachlage abgestellt werden. Es werden damit also zwei verschiedene Störerbegriffe geschaffen: Auf der primären Handlungsebene den Verdachts- oder vorläufigen Störer, auf der entschädigungsrechtlichen Ebene der ex post zu würdigende reale oder endgültiger Störer.

 

Diese Grundsätze werden nach BGH auch dann angewandt, wenn der Betroffene als Handlungsstörer in Anspruch genommen wird, sein den Anschein einer Gefahr begründetes Verhalten rechtmäßig war und keine in den haftungsrechtlichen Risikobereich des Handelnden fallende Verantwortlichkeit die Anscheinsgefahr begründet hat.

 

Bei einer rechtswidrigen Maßnahme der Polizei, unabhängig von deren Verschulden besteht eine spezielle Entschädigungsverpflichtung. „Maßnahme“ wird dabei weit ausgelegt. Für deren sachliche Begrenzung und inhaltliche Bestimmung wird auf den Schutzzweck der verletzten Amtspflicht abgestellt.

 

Für rechtmäßiges ordnungsbehördliches Handeln gibt es einen Entschädigungsausschluss. Sonst Entschädigung nur für Vermögensschäden, für entgangenen Gewinn nur wenn er über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes herausgeht. Für Vermögensnachteile welche nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der zu entschädigenden Maßnahme stehen (zB Einweisung von Obdachlosen) nur soweit zur Abwendung unbilliger Härten geboten. Sonst Entschädigungsleistung nur gegen Abtretung von Ansprüchen gegen Dritte, Berücksichtigung des Mitverschuldens, und Ersatz auch in Form der Rente möglich.

 

Entschädigungspflichtig ist die Anstellungskörperschaft des tätig gewordenen Polizisten (=Träger der Polizei). Darüber entscheiden die ordentlichen Gerichte.

 

Umgekehrt stehen der Verwaltung Ersatzansprüche gegen den Störer zu: Aufwendungsersatz im Falle der Inanspruchnahme und Entschädigung eines Nichtstörers. Kosten der behördlichen Ersatzvornahme und des unmittelbaren Zwangs. Polizei darf sich dabei bei den Zahlungspflichtigen an den wirtschaftlich leistungsfähigsten halten, ist aber durch den Gleichheitssatz an eine adäquate Leistungsverteilung gebunden.

 

Die rechtlichen Möglichkeiten einer Heranziehung Privater zur Kostenabdeckung von besonders polizeiintensiven polizeilichen Einsätzen wurde kontrovers diskutiert. Kommt nur in Frage bei einer normativen Grundlage. Aber selbst dann ist darauf zu achten, dass die Ausübung von Grundrechten, namentlich der Versammlungsfreiheit mit Blick auf eventuelle Kostenrisiken keine Einschränkungen erfährt > verfassungskonforme Auslegung. Bei kommerziellen Veranstaltungen (Fußballspiel) unbedenklich.

 

Spezialgesetzliche Kostenerstattungen sind bei Hilfeleistungen durch die kommunale Feuerwehr vorgesehen, wenn eine Gefahr oder Schaden vorsätzlich herbeigeführt wurde, wird üblicherweise im Rahmen einer kommunalen Satzung geregelt.